Unknown Unknowns – Meine grundlegende Herangehensweise

In den letzten Monaten habe ich mir immer wieder die Frage gestellt wie arbeite ich eigentlich? Natürlich fallen einem da schnell Methoden und Werkzeuge ein. Ich coache, beherrsche SWOT Analysen, kann Businesspläne schreiben, beherrsche Agile Methoden, kenne das Spotyfiy Modell und Disciplined Agile. Ich habe Werkzeuge, Templates und Ausbildungen entwickelt. Ich habe unterschiedlichste Branchenerfahrung und bin Spezialist im Prozessmanagement und deren Digitalisierung. Auch Privacy by design ist mir nicht fremd.

Trotz dem stelle ich mir die Frage, was mache ich eigentlich anders als andere die auch einen großen Werkzeugkasten und viel Erfahrung haben. Gibt es da überhaupt etwas? Was ist mein USP?

Dann habe ich das Model der „Unknown Unknowns“ kennengelernt. Berühmt geworden durch den ehemaligen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Da wurde mir plötzlich klar wo der gemeinsame Nenner bei allen meinen beruflichen Hürden und Erfolgen war. Ich bin Spezialist die „unknown unknowns“ zu finden und in lösbare unknown knowns„, „known Unknowns“ und „known knowns“ umzuwandeln, zu transformieren.

Konnte mir noch jemand folgen?

Das Modell geht von vier Quadranten aus. Es unterscheidet zwischen „bekanntem Wissen“ (known knowns), „bekanntem Unwissen“ (known unknowns), „unbekanntem Wissen“ (unknown knowns) und „unbekanntem Unwissen“ (unknown unknowns). Ich habe dies in der folgenden Grafik beschrieben:

Jeder dieser Quadranten lässt sich irgendwie beherrschen, mit Ausnahme des Quadranten unten rechts. Wobei der Quadrant unten links „unbekanntes Wissen“, aufgrund des „blinden Flecks“, den man intern gerne hat, am problematischsten zu identifizieren ist. Ich wage hier die steile These, dass die wichtigsten Issues dieses Quadrants nur von einem Externen zu finden sind.

Schauen wir uns mal die Beispiele für die jeweiligen Quadranten an:

Meine Aufgabe ist es aus den vielen Unbekannten, Beherrschbares zu machen.

Oftmals wurde ich in der Vergangheit beauftragt, weil ein Manager „fühlte“, dass etwas nicht stimmt. Er hat dazu nur Indizien aus dem „bekannten Unwissen“ und dem „bekannten Wissen“. Ganz schnell identifiziere ich dann oft die Themen, die in den Quadranten „unbekanntes Wissen“ gehören, und transformiere das Issue in den oberen linken Quadranten „bekanntes Wissen“. Gleichzeitig mache ich die Organisation resilient gegen „unbekanntes Wissen“, indem ich die Zusammenarbeit und das agile Mindset fördere. 

Manchmal bleibt auch nur der Weg über den Quadranten oben rechts, da ich weiter Indizien finde, die dann erst mal wieder analysiert werden müssen, bevor sie beherrschbar sind und „bekanntes Wissen“ werden.

Den Prozess nenne ich unkown unknowns transformation

Dieses beherrschbar machen funktioniert am besten eingebettet in einem Transformationsprozess durch die Quadranten zusammen mit den Menschen die mitten drin in den „unknown unknowns„, aber auch in allen anderen Quadranten, stecken. Meiner Erfahrung nach ist die Identifikation ein wesentlicher Teil des Stakeholdermanagement bei dieser Transformation. Ich verwende dazu diverse Methoden aus dem agilen Methodenset rund um die Geschäftsmodellentwicklung und dem Value Proposition Design. Am Ende geht es doch immer um das unklare oder fehlende „Warum“ wenn besonders viele Issues im „Unknown unknowns„Quadranten stecken.

Hier noch mal als Animation zusammen gefasst:

Nach der „unkown unknowns Transformation“ kommen dann alle meine Werkzeuge zum Tragen. Natürlich kann es auch passieren, dass ich auf Themen stoße, die ich selber nicht lösen kann. Dann übergab ich es gerne an Partner oder andere Spezialisten.

Die „go to make strategy“ für StartUps und Produktentwickler

Jeder Gründer, jede Gründerin beginnt mit einer genialen Idee, viel Begeisterung und Enthusiasmus. Erste Schritte werden gemacht und erste Produktentwürfe stehen. Um ein Geschäft daraus zu machen, steht nun jeder potentielle Gründer vor dem Eisberg des Businessplans, der entdeckt werden muss. Oben auf dem Eiserg „Businessplan“ steht der Investor. Er möchte nicht nur verstehen, wo rein er sein Geld investiert, sondern er möchte auch wissen, wann er wie viel Geld zurück bekommt. Er erwartet daher eine „go to market strategy“ innerhalb des Businessplans. Und er möchte Fakten. Das alles ist unter der Wasseroberfläche des Marktes versteckt.

Um eine faktenbasierte „go-to-market strategy“ zu entwickeln, wird jedoch ein tiefes Verständnis des Produktes, das man anbieten möchte, gebraucht. Dieses hat man am Anfang jedoch noch gar nicht. Die ersten Ideen sind im Kopf mit eigenen Hypothesen. Dann wird recherchiert und das Produktdevelopment beginnt auf dem Papier. Dann wird ganz im agilen Spirit der Zeit angefangen. Es ist jedoch für die meisten Gründer sehr schwer, ihre Gedanken in Zahlen und Fakten zu transferieren. Zu diesem Zeitpunkt sind die Problemstellungen noch unklar. Dieser Teil des Eisbergs liegt noch unter der Wasseroberfläche versteckt.

  • Auf was muss ich achten?
  • Was sind die richtigen Methoden?
  • Muss ich Templates und Regeln einhalten, um einen Investor zu finden?
  • Ist das nicht alles zu bürokratisch?
  • Wer kann mir helfen?
  • Habe ich genug Geld?

Lean-Konzepte sind wichtig und sie bringen Geschwindigkeit in die Produktentwicklung. Ein Businessplan ist trotzdem der notwendige Managementpart eines Produktes. Produkte brauchen daher ein agiles, faktenbasiertes Business-Development mit einer immer wieder überprüften „go to market strategy“ und einem mittelfristigen Business-Case. Aus meiner Perspektive ist faktenbasiertes Business Development eine Mischung zwischen Agil, Lean und Bürokratie. Bei aller Begeisterung und Enthusiasmus ist es hilfreich, sich an Templates zu halten, um auf die richtigen Punkte zu achten. Es hilft ungemein, mit Best Practices zu arbeiten. Templates können helfen, sich Stück für Stück unter Wasser zu begeben, um die Ausmasse des Eisbergs zu entdecken.

Am Ende steht ein faktenbasierter Businessplan.

In den letzten Jahren habe ich Best Practices und Templates zusammengetragen, die ich in ein Ausbildungsprogramm gesteckt habe. Jetzt ist es meine Produktmanagement-Akademie. Hier gibt es Workshops für Gründer und Produktmanager, Trainings und eine Inhouse-Ausbildung. Auf der Website gibt es viele weitere Informationen für Produktmanager und Business-Developer.

Eine notwendige andere Definition von Macht

Soziale Beziehungen ohne Machtverhältnisse sind nicht denkbar, der Begriff der Beziehung ist die wechselseitige Einflussnahme und somit die Möglichkeit der Veränderung des Gegenübers.

Wolff, Martin C.: Ernst und Entscheidung – Eine Phänomenologie von Konflikten, 2016, S22

Mit dem Begriff Macht setzen sich die Menschen schon seit Aristoteles auseinander. Die begriffliche Bestimmung von Macht wird seit Generationen mit Leidenschaft geführt. Schon als Kind lernt der Mensch seinen eigenen Willen auszudrücken. Beim Türmchen bauen und wieder zerstören lernt das Kind wie seine eigene Macht auf Gegenstände ausgeübt wird und sie nachhaltig verändert. Daraus wird in den frühen Jahren abgeleitet, dass dies Gestaltungsmacht auch auf Menschen wirkt, lernt das Kind doch sehr schnell, wie es seinen Willen bei seiner Mutter artikulieren kann und diese sofort reagiert.

Macht kann, nach Hannah Arendt[1], aber auch die Fähigkeit sein sich mit anderen zusammen zu schließen und im Einvernehmen zu handeln. Damit bekommt Macht eine enorme Gestaltungskraft. Diese Art der Machtausübung schafft starke Kooperationskräfte. Leider kennen wir auch die „destruktive Kooperation nach der Art „wir-gegen-sie““ (Sennett, Richard: Zusammenarbeit, 2014, S.18). 

Im Folgenden konzentriere ich mich auf eine bestimmte Definition von Macht: 

Machtausübung als Kampf um Anerkennung der eigenen Ordnung. 

Dieses Modell wird von Martin Wolff vorgestellt und erscheint mir als plausibelstes Modell von Machtkämpfen in agilen Organisationen. Es bietet zudem Handlungsmöglichkeiten an, die im Rahmen der Spielregeln agiler Unternehmen und Organisationen funktionieren.

Menschen lernen ihr ganzes Leben lang und bilden daraus eine innere Ordnung, einen eigenen Wertekompass

Menschen lernen mit jeder Sinneswahrnehmung wie ihr Handeln Einfluss auf Ihre Lebenswelt hat. Sie geben Ihrer Lebenswelt, selbstbestimmt, eine Art innere Ordnung, die der Mensch immer wieder gegen die Umwelt ordnet. Menschen entwickeln somit Ordnungsvorstellungen ihrer Lebenswelt.

Im Besten Fall basieren diese Ordnungsvorstellungen auf Erkenntnis. Erkenntnis meint in diesem Sinne, dass durch den Vergleich einer These und einer Antithese die Synthese nur gebildet werden kann, wenn beide Seiten erstmal anerkannt sind und damit im Ursprung gleichberechtigt. 

Ob eine für sich alleine stehende Erfahrung ins eigene Ordnungssystem aufgenommen werden kann, wird demgemäß am besten beurteilt, wenn das Gegenteil durch den Menschen selber formuliert wird. So kann durch Vergleich wieder eine Synthese als eigener Erkenntnisprozesse begriffen und als Teil des eigenen Ordnungssystems formuliert werden.

Im schlechtesten Fall basiert die eigenen Ordnungsvorstellungen jedoch auf einseitiger Wahrnehmung, die nicht durch Gegenthesen überprüft werden. Es wird also nur das ins Ordnungssystem integriert was zu den bisherigen eignen Meinungen passt. Bei allen anderen Angeboten kommt es zur Wahrnehmungsabwehr. Dies geschieht oftmals unbewusst. 

Am eigenen Ordnungssystem werden alle Erfahrungen und Entscheidungen ausgerichtet

Für unseren Machtbegriff ist es wichtig, dass Menschen ein Ordnungssystem haben, an dem sie alle Erfahrungen und Entscheidungen ausrichten. Der Mensch verändert das Ordnungssystem nur, wenn er an einem Erkenntnisgewinn interessiert ist, es also zum bewussten Auseinandersetzen mit zwei Thesen im obenstehenden Sinne kommt. 

Macht wird häufig über Drohungen ausgeübt. Sie ist eine Art der Überredung und soll Zwang auf das gegenüber ausüben, um den eigenen Willen durchzusetzen. Macht stellt in diesem Sinne die Fähigkeit einseitig Interessen durchzusetzen in den Mittelpunkt des Handelns. Dabei können diese Interessen, den einseitig definierten Zielen, einer Person oder auch einer ganzen Interessensgruppe dienen. Das Durchsetzen von diesen eigenen Zielen erfolgt in der Regel unter Zwang und ohne sich selbst gegenüber äußeren Ansprüchen beteiligten Personen zu unterwerfen, diesen entgegenkommen zu müssen oder dies auch nur zu wollen.

Druck auf Menschen ausüben bedeute ihnen die Selbstständigkeit zu nehmen

Wird Macht in diesem Sinne eingesetzt findet sich der Mensch, auf den der Druck, die Drohung, ausgeübt wird, plötzlich in der Rolle eines Gegenstands wieder, der seine Selbstständigkeit verliert. Dies engt ein, führt zu Angst und so kann der Mensch eigentlich nicht anders als sich diesem Zugriff zur Wehr zu setzen „…um seine Selbstständigkeit zu behaupten“ (Wolff, S. 42).

Treffen zwei Menschen auf diese Weise aufeinander überschneiden sich zwei Lebenswelten mit Ihren Ordnungsvorstellungen. „Ihre jeweiligen Ordnungen geraten durcheinander und ringen um Bestand“ (ebd.). Sie versuchen jeweils den anderen zu begreifen und in die eigene Ordnung zu integrieren, eben zu unterwerfen.

Die Durchsetzung des eigenen Ordnungssystem führt zu Streit

„Der Streit ist (dementsprechend, ML) ein Klärungsprozess bei dem geklärt wird, welches Subjekt zum Teil der Umwelt des Anderen wird, sich dessen Ordnung unterordnet und damit seine eigenen Ordnungsansprüche aufgibt“ (ebd.). Ein Streit ist die einzige Möglichkeit die Ordnungsansprüche des gegenüber zu objektivieren[2]. Nur ein objektiver Blick ermöglicht die Erkenntnis zu akzeptieren und somit die Ordnungsansprüche des anderen erst einmal anzuerkennen. Aus diesem Anerkennen kann eine Lösung für den Konflikt gefunden werden. Diese Ordnungsansprüche von vornherein abzulehnen heißt Kampf und Konflikt. Somit ist die Klärung von Ordnungsansprüchen die Grundfrage der Macht.

Eine in diesem Sinne etablierte Konfliktregulation ist ein Protokoll[3] in dem definiert ist wie in einem Streitfall vorzugehen ist. Das Protokoll soll den Kampf um den Anerkennungsprozess ersetzen. Allerdings ist die Bedingung, dass alle Beteiligten das Protokoll anerkennen.

Streit schlichten bedeutet: Alle Parteien erkennen sich als Gegner und nicht als Feinde an

Um dieses Vorgehen einzusetzen ist es notwendig, dass alle Parteien sich als Gegner und nicht als Feinde verstehen. Gegner können sich als Gleiche anerkennen, Feinde nicht mehr. Führungsverantwortung in agilen Unternehmen bedeutet demnach Protokolle zu entwickeln und zu etablieren die den Kampf um den Anerkennungsprozess regulieren.

Vorsicht: Die eigene Ordnungsvorstellung ist die Wahrheit…

Die oben beschrieben notwendige Objektivierung im Konflikt hat jedoch auch ein Harken. Jede Erkenntnis enthält nämlich einen Wahrheitsanspruch. Menschen neigen dazu ihre Ordnungsvorstellung als Objektiv darzustellen um sie als Wahrheit zu inszenieren. Dieser Wahrheitsanspruch ist damit das Instrument der Legitimation von Herrschaft, eben der Durchsetzung von Macht. Der Hinweis auf die objektive Wahrheit verschleiert den Machtanspruch. Dies war z.B. das probate Mittel der katholischen Kirche im Mittelalter zur Machtausübung. Der objektive Charakter verlangt die bedingungslose Einsicht aller, andernfalls akzeptiert man die Wahrheit entweder aus Dummheit oder aus Boshaftigkeit nicht. In einem Fall wird der Mensch belehrt oder im anderen Fall bekämpft.

… Objektivierung der eigenen Ordnung führt zu Wahrheitsregimen

Auf diese Weise entstehen ganze Wahrheitsregime[4] über die Macht ausgeübt wird. Je länger diese wirken umso bestimmender wirken sie auf das soziale Netzwerk des Unternehmens. In Hierarchisch, linearen oder patriarchischen Organisation findet man häufig solche Wahrheitsregime, wobei sie nicht die ganze Organisation durchdrungen haben müssen, sondern durch aus nur in bestimmten Bereichen wirken können. Dort gibt es dann häufig Führungskräfte, die Ihr Team auf Basis dieses, vermeintlich objektiven, Wahrheitsanspruch einschwören. 

In einer agilen Organisation hat diese Art der Machtausübung allerdings nichts verloren. Vorhanden Herrschaftsregime lassen sich nur durch das Top-Management durchbrechen. Leider lehrt mich die Erfahrung, dass bei solchen Regimen nur der Austausch von Personen hilft. Aber Vorsicht: Verschwindet ein Herrschaftsregime entsteht ein Vakuum, dies kann sehr schnell durch ein anderes gefüllt werden. Denn so schwer einem diese Erkenntnis auch fällt, selbst ein Wahrheitsregime mit Zwang und Drohung bietet Orientierung und Leitplanken, ist somit ein Ordnungssystem. Fällt das Ordnungssystem weg führt es zunächst ins Chaos der Orientierungslosigkeit. Da sich Menschen aber nach Orientierung sehnen wenden sie sich gerne dem nächstbesten Orientierungssystem zu.

Martin C. Wolf hat einen Vorschlag wie man diesem absoluten Wahrheitsanspruch entgegenwirken kann.

Lässt man sich auf diese Gedanken ein, erwächst die Teilhabe zum notwendigen Mittel der Anerkennung: Die eigenen Erkenntnisse müssen sichtbar und noch wichtiger, nachvollziehbar gemacht werden; sie müssen geteilt werden.

Ernst und Entscheidung, S. 59

Transparenz der eigenen Erkenntnisse wirken Wahrheitsregimen entgegen

[1] Aus Wolff, S. 23

[2] Hier im Sinne von Sachlich und Vorurteilsfrei

[3] Ein Protokoll, in diesem Sinne, legt fest, zu welchem Zeitpunkt oder in welcher Reihenfolge welcher Vorgang durch wen oder durch was veranlasst wird. vgl. diplomatisches Protokoll etc.

[4] Tony Bennet in der documenta 14 Reader, München 2017, S. 341

Wie funktioniert sanftes agilisieren bei bestehenden Teams?

Nehmen wir mal an, wir haben ein Team von Entwicklern, die schon jahrelang zusammenarbeiten. Sie haben eine Führungskraft bei der „das Glas immer halb leer ist“ und bevor ein Problem gelöst werden kann wird immer das große Ganze in Frage gestellt. Wenn eine Anforderung aus dem Business kommt wird die Umsetzung erschwert, weil erst ein großes Konzept erwarte wird, wozu Business jedoch gar nicht in der Lage ist. Durch diese „Nebelkerzen“ wird auch die Führung immer wieder die vorhandene Energie gebremst und die Kommunikation mit den Businessabteilungen blockiert. E-Mail Ping-Pong ist die Folge. Gerne entsteht daraus das beliebte „Finger Pointing“. Das Team hat sich geteilt und bildet kleine Fachgruppen. Jeder versucht sich gut wie möglich durch zu kämpfen…

Wie lässt sich so eine verfahrene Situation auflösen?

Natürlich hat das auch mit Führung und Management zu tun. Als Coaches versuchen wir die Führungskraft zu bewegen, „los zu lassen“, Aufgaben in kleinere Pakete zu zerlegen, die Kommunikation zwischen allen Beteiligten zu fördern, „Command and Control“ abzulegen. Das klappt jedoch meistens nur suboptimal. Leider erlebe ich immer wieder, dass die Führungskräfte nicht in der Lage alte Frustrationen hinter sich zu lassen und Verantwortung abzugeben. Das Management kommt dann unweigerlich in die Situation sich von der Führungskraft trennen zu müssen, damit die Blockaden und „Energiebremsen“ im Team gelöst werden. Das ist schmerzhaft aber manchmal notwendig.

Unabhängig davon lassen sich aber eingefahrene Team mit der Einführung eines Task-Boards sanft an agile Methoden heranführen. Hierzu ist nach meiner Erfahrung allerdings ein externer Coach notwendig, um jahrelange Blockaden und Historie aufzulösen.

Einführung eines Task-Boards

Im ersten Schritt wird ein interdisziplinäres Team aufgebaut. Softwareentwickler, wenn vorhanden Architekt, Operations- und Business-Vertreter werden in ein Team zusammen geholt. So können durch Interaktionen erste Blocken schon im Gespräch gelöst werden. Die Zusammenarbeit im Team braucht dann noch ein gemeinsames Problembewusstsein. Folglich muss zuerst eine Gesprächsebene gefunden werden in der die vorhandenen Themen, Issues, incidents, Service Request (oder wie die Themen im Unternehmen auch immer genannt werden) geklärt und verstanden werden. Mir hilft dabei immer wieder sich zuerst über Kommunikationsregeln im Team zu verständigen. Beispielsweise. „Keiner redet für den anderen“ oder „Wir lassen die Anderen ausreden und unterbrechen uns nicht gegenseitig“. Der Coach hat die Aufgabe darauf zu achten, dass die Regeln eingehalten werden. Durch diese Kommunikation gemeinsam im Team entsteht bei den Problembeschreibungen eine Art Storytelling, die in eine „Verständnisdiskussion“ hinein moderiert wird.

Haben alle Beteiligten ein gemeinsames Verständnis der Themen und Problembewusstsein über die Situation gewonnen, werden die Issues, gemeinsam, nach Wichtigkeit priorisiert. Beim Priorisieren ist es wichtig, dass niemand seinen Wahrheitsanspruch durchsetzt. Auch dann nicht, wenn die Person hierarchisch überstellt ist.

Priorisierungen müssen begründet werden, nur dann ist Zusammenarbeit möglich

Mit der Priorisierung wird das Task-Board eingeführt. Dabei habe ich immer drauf geachtet es KANBAN- oder SCRUM-Board so zu nennen und keine Hintergrunderklärungen zu liefern. Meiner Erfahrung nach ist der Beginn mit PostIT’s an der Wand ein sehr guter Weg. So werden Issues haptisch, eine Priorisierung und das weiter schieben ist eine gemeinsame Aktion. Durch dieses gemeinsame, haptische arbeiten wir eine gemeinsame Identifikation geschaffen.

In meinem letzten Projekt habe ich das Bord etwas umstrukturiert: „Backlog“ (alle vorhandenen Themen), „Umsetzung“ (hier kommen nur die Prio 1 Themen rein), „In Arbeit“, „Gelöst“. Mit Absicht ist in der Einführungsphase Qualitätssicherung und „in Arbeit“ noch in einem Punkt um die Komplexität gering zu halten. Im Laufe des Projektes entwickelt sich die Forderung nach Trennung in Arbeit und QS i.d.R. von selber.

Nach dem Priorisieren kommt das Schätzen des Aufwands. Hier ziehe ich ein Komplexitätsschätzen in Form von Story Points vor. Ich nutzen dazu gerne die Methode „Planning Poker“. Es ist leicht zu verstehen und macht moderiert auch Spaß.

Nun werden die Issues genauer beschrieben. Manche sind schon sehr detailliert, manche Anforderungen liegen in Form von User Stories vor und manche sind nur Überschriften. Bei der Diskussion im Team um die Detaillierungen der Inhalte kommt das Team schnell zum gemeinsamen Verständnis, dass ein Standard für Anforderungsbeschreibungen etablieren werden muss. Ich empfehle dann immer User Stories, da hier im Kern, um etwas geschrieben verhandelt wird und damit das miteinander sprechen im Mittelpunkt steht. Das „Nichtreden“ stand ja schließlich früher oft der Umsetzung im Weg. Wenn Akzeptanzkriterien richtig eingesetzt werden erleichtern diese auch später das Testen. Wir schulen alle Mitarbeiter und fangen an zu üben. Es ist in dieser Phase meine Aufgabe als Coach dabei zu helfen zu erkennen, dass Anforderungsbeschreibungen geübt werden muss, erinnere daran, dass wir zu Beginn niemals alle Information haben und dass genau diese Tatsache den Raum für Kreativität in der Lösungsgestaltung lässt. Die Tasche des nicht alles Wissens ist damit was Gutes.

Parallel dazu beginnt schon die Umsetzung einiger Themen. Jetzt wird ein StandUp (Daily) mit dem gesamten Team eingeführt. Nach den klassischen Regeln was habe ich gestern getan, was habe ich heute vor und hatte ich Blockaden, wenn ja welche.

Empowern, um das Team lernen zu lassen

Ob später dann noch Entwicklungszyklen einbaute oder gar SCRUM lässt sich jederzeit im Team diskutieren und auch gemeinsam entscheiden. Getreu einem zentralen Prinzip aus der SCRUM-Welt: „Selbstorganisation der Teams“. Manchmal entsteht zu Beginn des Transformationsprozesses der Wunsch nach einem Dispatcher, der die unsicheren Teammitglieder, die sich zu Beginn überfordert fühlen, anleitet, die Tasks zu übernehmen, bzw. zu verteilen Diese Rolle übernimmt somit die Vorselektion für das Team. Auch das ist gut. Allein die Tatsache, dass es im Team aktiv gefordert wird, ist der erste Schritt zur Selbststeuerung. Wenn später der Wunsch entsteht sich selber die Tasks aus dem Board zu nehmen ist es wichtig, dass zu zulassen und nicht auf der Rolle des Dispatchers zu bestehen. Wichtig ist es immer wieder neue Methoden vorzustellen und dann das Team entscheiden zu lassen, was sie sich als Tool herausnehmen. Die Coachingrolle wird ergänzt durch Methodenangebot und Training.

Marketing nach innen

Jetzt kommt ein kritischer Punkt: Die gesamte Organisation teilhaben lassen. Nur wie? Kommunikation nach innen läuft über Menschen. Menschen kommunizieren über Überzeugungen und Leidenschaft. Wenn Menschen wissen warum sie etwas machen und von dem überzeugt sind, was sie tun, werde sie zu einem Botschafter. Damit ist für mich als Coach eines der wichtigsten Ziele Teammitglieder zu befähigen zufrieden ihren Job zu machen. Nur so können sie mit Überzeugung mit Ihren Kolleginnen und Kollegen die Erfahrung das Richtige zu tun, teilen. Jedes Teammitglied wird so zum Botschafter und Gesprächspartner im Unternehmen.

Als weiteren Schritt im internen Marketing habe ich gute Erfahrungen damit gemacht, das Task-Board an einem öffentlichen Ort permanent hängen zu lasen. Das schafft Neugierde. Kolleginnen und Kollegen können sich mal zu einem Daily dazu gesellen und zuhören.

So lernt das Team Schritt für Schritt agile Methoden ohne das ein Mal „Buzzwörter“ wir SRCUM, Agil oder gar Design Thinking verwendet werden. Mit jedem Tag vor dem Bord, mit jedem selbstständigen Gespräch macht das Team einen weiteren Schritt in eine agile Welt.

Das letzte Wort soll Nicolas Chamfor bekommen:

»Durch die Leidenschaften lebt der Mensch, durch die Vernunft existiert er bloß.«

Teilhabe und Anerkennung als notwendige, andere Definition von Machtausübung im agilen Mindset

„Soziale Beziehungen ohne Machtverhältnisse sind nicht denkbar, der Begriff der Beziehung ist die wechselseitige Einflussnahme und somit die Möglichkeit der Veränderung des Gegenübers.“ (Wolff, Martin C., Ernst und Entscheidung 2016: S. 22)

Mit dem Begriff Macht setzen sich die Menschen schon seit Aristoteles auseinander. Die begriffliche Bestimmung von Macht wird seit Generationen mit Leidenschaft geführt. Schon als Kind lernt der Mensch seinen eigenen Willen auszudrücken. Beim Türmchen bauen und wieder zerstören lernt das Kind wie seine eigene Macht auf Gegenstände ausgeübt wird und sie nachhaltig verändert. Daraus wird in den frühen Jahren abgeleitet, dass dies Gestaltungsmacht auch auf Menschen wirkt, lernt das Kind doch sehr schnell wie es seinen Willen bei seiner Mutter artikulieren kann und diese sofort reagiert.

Macht kann, nach Hannah Arendt, aber auch die Fähigkeit sein sich mit anderen zusammen zu schließen und im Einvernehmen zu handeln. Damit bekommt Macht eine enorme Gestaltungskraft. Diese Art der Machtausübung schafft starke Kooperationskräfte. Leider kennen wir auch die „destruktive Kooperation nach der Art „wir-gegen-sie““ (Sennet, Richard, Zusammenarbeit, 2014: S.18).

Im Folgenden konzentriere ich mich auf eine bestimmte Definition von Macht:

Machtausübung als den Kampf um Anerkennung der eigenen Ordnung.

Dieses Modell wird von Martin Wolff vorgestellt und erscheint mir als plausibelstes Modell von Machtkämpfen in (agilen) Organisationen. Es bietet zudem Handlungsmöglichkeiten an, die im Rahmen der Spielregeln agiler Unternehmen und Organisationen funktionieren.

Menschen lernen mit jeder Sinneswahrnehmung wie ihr Handeln Einfluss auf Ihre Lebenswelt hat. Sie geben Ihrer Lebenswelt, selbstbestimmt, eine Art innere Ordnung, die der Mensch immer wieder gegen die Umwelt ordnet. Menschen entwickeln somit Ordnungsvorstellungen ihrer Lebenswelt.

Im Besten Fall basieren diese Ordnungsvorstellungen auf Erkenntnis. Erkenntnis meint in diesem Sinne, dass durch den Vergleich einer These und einer Antithese die Synthese nur gebildet werden kann, wenn beide Seiten erstmal anerkannt sind und damit im Ursprung gleichberechtigt. Ob eine für sich alleine stehende Erfahrung ins eigene Ordnungssystem aufgenommen werden kann, wird demgemäß am besten Beurteilt, wenn das Gegenteil durch den Menschen selber formuliert wird. So kann durch Vergleich wieder eine Synthese als eigener Erkenntnisprozesse begriffen und als Teil des eigenen Ordnungssystems formuliert werden.

Im schlechtesten Fall basiert die eigenen Ordnungsvorstellungen jedoch auf einseitiger Wahrnehmung, die nicht durch Gegenthesen überprüft werden. Es wird also nur das ins Ordnungssystem integriert, was zu den bisherigen eignen Meinungen passt. Bei allen anderen Angeboten kommt es zur Wahrnehmungsabwehr. Dies geschieht oftmals unbewusst.

Für unseren Machtbegriff ist es wichtig, dass Menschen ein Ordnungssystem haben, an dem sie alle Erfahrungen und Entscheidungen ausrichten. Der Mensch verändert das Ordnungssystem nur, wenn er an einem Erkenntnisgewinn interessiert ist, es also zum bewussten auseinandersetzen mit zwei Thesen im obenstehenden Sinne kommt.

Macht wird nun häufig über Drohungen ausgeübt. Sie ist eine Art der Überredung und soll Zwang auf das gegenüber ausüben, um den eigenen Willen durchzusetzen. Macht stellt in diesem Sinne die Fähigkeit einseitig Interessen durchzusetzen in den Mittelpunkt des Handelns. Dabei können diese Interessen, den einseitig definierten Zielen, einer Person oder auch einer ganzen Interessensgruppe dienen. Das Durchsetzen von diesen eigenen Zielen erfolgt in der Regel unter Zwang und ohne sich selbst gegenüber äußeren Ansprüchen beteiligten Personen zu unterwerfen, diesen entgegenkommen zu müssen oder dies auch nur zu wollen.

Wird Macht in diesem Sinne eingesetzt findet sich der Mensch, auf den der Druck, die Drohung ausgeübt wird, plötzlich in der Rolle eines Gegenstands wieder, der seine Selbstständigkeit verliert. Dies engt ein, führt zu Angst und so kann der Mensch eigentlich nicht anders als sich diesem Zugriff zur Wehr zu setzen „…um seine Selbstständigkeit zu behaupten“ (Wolff, S. 42). Treffen zwei Menschen auf diese Weise aufeinander überschneiden sich zwei Lebenswelten mit Ihren Ordnungsvorstellungen. „Ihre jeweiligen Ordnungen geraten durcheinander und ringen um Bestand“ (ebd.). Sie versuchen jeweils den anderen zu begreifen und in die eigene Ordnung zu integrieren, eben zu unterwerfen.

„Der Streit ist (dementsprechend, ML) ein Klärungsprozess bei dem geklärt wird, welches Subjekt zum Teil der Umwelt des Anderen wird, sich dessen Ordnung unterordnet und damit seine eigenen Ordnungsansprüche aufgibt“ (ebd.). Im Streit besteht die Möglichkeit die Ordnungsansprüche des Gegenüber, quasi sachlich und vorurteilsfrei, zu objektivieren. Nur ein objektiver Blick ermöglicht die Erkenntnis und damit die Ordnungsansprüche des anderen erst einmal anzuerkennen. Aus diesem Anerkennen kann eine Lösung für den Konflikt gefunden werden. Diese Ordnungsansprüche von vornherein abzulehnen heißt Kampf und Konflikt. Somit ist die Klärung von Ordnungsansprüchen die Grundfrage der Macht.

Eine etablierte Konfliktregulation sind anerkannte Regeln in denen definiert ist, wie in einem Streitfall vorzugehen ist, zu welchem Zeitpunkt oder in welcher Reihenfolge, welcher Vorgang, durch wen oder durch was veranlasst wird. Die Regeln sollen den Kampf um den Anerkennungsprozess ersetzen. Um dieses Vorgehen einzusetzen ist es notwendig, dass alle Parteien sich als Gegner und nicht als Feinde verstehen. Gegner können sich als Gleiche anerkennen, Feinde nicht mehr. Führungsverantwortung in agilen Unternehmen bedeutet demnach Regeln zu entwickeln und zu etablieren, die den Kampf um den Anerkennungsprozess regulieren.

Die oben beschrieben notwendige Objektivierung im Konflikt hat jedoch auch ein Harken. Jede Erkenntnis enthält nämlich einen Wahrheitsanspruch. Menschen neigen dazu ihre Ordnungsvorstellung als Objektiv darzustellen, um sie als Wahrheit zu inszenieren. Dieser Wahrheitsanspruch ist damit das Instrument der Legitimation von Herrschaft, eben der Durchsetzung von Macht. Der Hinweis auf die objektive Wahrheit verschleiert den Machtanspruch. Dies war z.B. das probate Mittel der katholischen Kirche im Mittelalter zur Machtausübung. Der objektive Charakter verlangt die bedingungslose Einsicht aller, andernfalls akzeptiert man die Wahrheit entweder aus Dummheit oder aus Boshaftigkeit nicht. In einem Fall wird der Mensch belehrt oder im anderen Fall bekämpft.

Auf diese Weise entstehen ganze „Wahrheitsregime“[1]über die Macht ausgeübt wird. Je länger diese wirken, umso bestimmender wirken sie auf das soziale Netzwerk des Unternehmens. In Hierarchisch, linearen oder patriarchischen Organisation findet man häufig solche Wahrheitsregime, wobei sie nicht die ganze Organisation durchdrungen haben müssen, sondern durch aus nur in bestimmten Bereichen wirken können. Dort gibt es dann häufig Führungskräfte, die Ihr Team auf Basis dieses, vermeintlich objektiven, Wahrheitsanspruch einschwören.

In einer agilen Organisation hat diese Art der Machtausübung allerdings nichts verloren. Vorhanden Herrschaftsregime lassen sich nur durch das Top-Management durchbrechen. Leider lehrt mich die Erfahrung, dass bei solchen Regimen nur der Austausch von Personen hilft. Aber Vorsicht: Verschwindet ein Herrschaftsregime entsteht ein Vakuum, dies kann sehr schnell durch ein anderes gefüllt werden. Denn so schwer einem diese Erkenntnis auch fällt, selbst ein Wahrheitsregime mit Zwang und Drohung bietet Orientierung und Leitplanken, ist somit ein Ordnungssystem. Fällt das Ordnungssystem weg führt es zunächst ins Chaos der Orientierungslosigkeit. Da sich Menschen aber nach Orientierung sehnen wenden sie sich gerne dem nächst besten Orientierungssystem zu.

Martin C. Wolf hat einen Vorschlag wie man diesem absoluten Wahrheitsanspruch entgegenwirken kann.

„Lässt man sich auf diese Gedanken ein, erwächst die Teilhabe zum notwendigen Mittel der Anerkennung: Die eigenen Erkenntnisse müssen sichtbar und noch wichtiger, nachvollziehbar gemacht werden; sie müssen geteilt werden“ ( Ernst und Entscheidung, S. 59)

Eine konstruktive Zusammenarbeit funktioniert m.E. nur wenn der Mensch als Subjekt mit seinen eigenen Ordnungsvorstellungen, die Ordnungsvorstellungen mit den Fähigkeiten und Verantwortungen des Anderen, anerkennt. Diese Anerkennung ist in meinen Augen ein wichtiger Bestandteil des agilen Mindset.


[1]Tony Bennet in der documenta 14 Reader, 2017: S. 341

 

 

Die selbstlernende Digitalisierungsstrategie

Der Begriff Digitalisierung bezeichnet „den Prozess, der durch die Einführung digitaler Technologien bzw. der darauf aufbauenden Anwendungssysteme hervorgerufenen Veränderungen“[1]. Diese Entwicklungen werden massive Umwälzungen in vielen Wirtschaftsbranchen, Lebens- und Arbeitsbereichen nach sich ziehen. Digitalisierung wirkt nach Innen (Prozessautomatisierung und Optimierung, Wirtschaftlichkeit, Gebäudetechnik, Arbeitsweisen etc.) und nach Außen (Kundenbindung, Individualisierung, Komfort).

Digitalisierung richtig ins Unternehmen zu integrieren verlangt eine abgestimmte Digitalisierungsstrategie ansonsten werden verschiedene losen Ansätze verfolgt die nicht auf einander abgestimmt sind. Dadurch werden zu wenig Synergieeffekte genutzt, was wiederum dazu führt, dass am Ende die Vorteile der Digitalisierung zu Nichte gemacht werden. Es gilt daher zu klären wie Mitarbeiter und Kunde bei der und durch die Digitalisierung unterstützt werden und was die richtige Strategie, jenseits von technischer Machbarkeit ist? Am Ende bleibt aber die Kernfrage: Wie lässt sich eine Strategie am besten entwickeln und aktuell halten, wenn die Digitalisierung an sich einem permanenten Wandel unterzogen ist? Digitalisierungsstrategien müssen also immer wieder überprüft und ggf. angepasst werden.

Wie ist das für ein Unternehmen zu gewährleisten? Mit einem „allwissenden“ Digitalisierungsbeauftragten? Meiner Meinung nach ist ein Unternehmen am besten aufgestellt, wenn in allen Bereichen aktiv reagiert werden kann und dies trotzdem in einer ganzheitlichen Strategie mündet. Die Tragweite und Beeinflussung der Lebenswelten durch die Digitalisierung ist jedoch nur erkennen, wenn die Menschen im Unternehmen eine digitale Kompetenz haben oder entwickeln und konsequent Kundenzentriert denken. Wenn Sie sich und Ihre Mitarbeiter in die Lage versetzen ihre eigene Digitalisierungsstrategie im Unternehmen zu entwickeln, immer wieder zu überprüfen und ggf. anzupassen, vermeiden Sie das Risiko, dass Sie Anpassungen immer durch den Flaschenhals einzelner Menschen oder externen Berater quetschen müssen.

Agile Methoden können hier helfen

Fachübergreifende, agile Teams zu etablieren sind ein erster Schritt. Da agile Methoden die Kundenzentrierung und die Zusammenarbeit von Menschen in den Mittelpunkt stellen entwickelt sich daraus eine selbstlernende Digitalisierungsstrategie. Mit agile Methoden werden iterative und damit immer wieder überprüfbare Lösungsvorschläge in kurzer Zeit entwickelt. Auf diese Weise werden systematisch und nachhaltige Ergebnisse zusammen mit den Kunden erarbeitet.

Aus dieser selbstlernenden Strategie können jetzt immer wieder die einzelne Projekte identifiziert und umgesetzt werden.

Die Ergebnisse der agilen Teams werden kontinuierlich visualisiert und durch die fachübergreifende Zusammenarbeit ins Unternehmen getragen. Dies führt wieder zur Reflexion und Handlungen in den agilen Teams. Mit einiger Übung haben Sie eine selbstlernende Digitalisierung zum Nutzen Ihrer Kunden und Angestellten im Unternehmen etabliert. Sie minimieren so die Gefahr die Digitalisierung am Bedarf vorbei zu entwickeln.


[1] http://www.enzyklopaedie-der-wirtschaftsinformatik.de/wi-enzyklopaedie/lexikon/technologien-methoden/Informatik–Grundlagen/digitalisierung/ am 01.09.17

Digitale Kompetenz als Grundlage für erfolgreiche Digitalisierung

Die Tragweite und Beeinflussung der Lebenswelten durch die Digitalisierung ist nur zu erkennen, wenn die Menschen im Unternehmen eine digitale Kompetenz haben oder entwickeln.

„Digitale Kompetenz ist dann vorhanden, wenn man in der Lage ist den Einfluss digitaler Lösungen und dazugehöriger Geschäftsmodelle in den Kontext der eigenen Tätigkeit und des eigenen Alltags einzuordnen.“

Viktor Weber[1]

Um die gegenseitige Beeinflussung von eigener Lebenswelt (Freizeit-und Arbeitswelt) und Digitalisierung zu erkennen wird der (sichere) Umgang mit Lebenswelt-spezifischen Informations- und Telekommunikationstechnologien benötigt. Dazu gehören auch das Verstehen digitaler Geschäftsmodelle, Grundwissen hinsichtlich Technologietrends und allgemeiner digitaler gesellschaftlicher Trends. Für das Thema muss durch die Führung die gesamte Mitarbeiterschaft sensibilisiert werden.

„Das heißt nicht, dass jeder Mensch programmieren können oder die technische Beschaffenheit einer „Blockchain“ verstehen muss“ (Weber). Er oder sie sollte aber zumindest Komplexität und theoretische Zusammenhänge verstehen, um Auswirkungen auf die eigene Lebenswelt einschätzen zu können. Wer also erkennt, dass Digitalisierung nicht mit Apps und Speicherung von Papierdaten gleichzusetzen ist und digitales Marketing mehr als Facebook und Twitter bedeutet, hat bereits eine erste Hürde genommen.

Die größte Herausforderung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist es jedoch das eigene Wissen und die eigene Arbeitsmethodik zu hinterfragen. Dazu gehört eine gewisse Neugierde und Bereitschaft neues Auszuprobieren.

Beispielsweise der Einsatz eines Lerntagebuchs: Die Hürde eine „Lerntagebuch“ von der „Kladde“ in eine digitale Version zu übertragen sollte in meinen Augen pädagogische begleitet werden. Von den Vorteilen her zu denken ist hier ein sicher Ansatz für erfolgreiches Auseinandersetzen mit dem Thema. So kann ein digitale „Lerntagebuch“ mit der gesamten Lerngruppe geteilt werden. Die Zusammenarbeit wird erleichtert in dem sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer ergänzen auch ohne sich sehen zu müssen. Die Integration von unterschiedlichen Medienarten erleichtern zusätzlich das Lernen. Ist das Tool dann intuitiv zu nutzen so wie zum Beispiel Adobe Spark lässt sich sehr spielerisch digitale Kompetenz durch probieren der Möglichkeiten erlangen.

Immer wieder neues Auszuprobieren lässt sich auch mit der Methode „Design Thinking“ sehr gut erreichen. Durch die Entwicklung von Prototypen in fachübergreifender Zusammenarbeit kann die Mystik digitaler Lösung entzaubert werden.

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[1] http://www.immobilienmanager.de/so-steht-es-um-die-digitale-kompetenz-in-immobilienunternehmen/150/54740/ am 12.09.17

Wann sind agile Methoden sinnvoll? Das Cynefin-Modell hilft bei der Identifikation!

Zur Zeit wird ein mächtige „Hype“ um agile Methoden, SCRUM, Design Thinking ect. gemacht. Immer wieder wird sich von diesen Methoden das Heil für viele Probleme versprochen. Doch wie kann man identifizieren wann agile Methoden sinnvoll sind und wann lineare Wasserfall-Methoden besser angewendet werden können?

Ich verwende gerne das Cynefin-Modell von Dave Snowden, um zu erklären für welche Einsatzgebiete sich agile Methoden besonders gut eignen.

Dave Snowden hat 1999 bis 2002 das Cynefin-Framwork zu einem Strategiemodell entwickelt. Das walisische Wort „Cynefin“ bedeutet in etwa „Lebensraum“, womit Snowden ausdrücken wollte, dass zwischen Individuen und ihrer Umwelt eine Vielfalt von Wechselwirkungen bestehen. Diese Wechselwirkungen sind oft nicht vorhersehbar und nicht beschreibbar.

Snowden hat in seinem Modell 5 Bereiche oder auch Domänen beschrieben die uns helfen können Situationen oder auch Systeme zu beschreiben.

Einfach, kompliziert, komplex, chaotisch (siehe Abbildung).

Die innere Domäne ist Unordnung oder auch Verwirrung und beschreibt den Zustand wenn man nicht genau weiß in welchem der andern vier System man sich befindet.

Die Grenzen zwischen den Domänen sind fließend.

Mit dem Modell lässt sich gut erkennen welche Entscheidungswege in welcher Situation am besten eingeschlagen werden sollten. Das Cynefin-Modell dient auch der Sinnstiftung und hilft bei der Konsensbildung in einer Problemsituation.

„Für einfache Systeme kann leicht beurteilt werden, was zu tun ist. Sie können mit einem Kontrollansatz gesteuert werden.

Komplizierte Systeme müssen analysiert werden, um einen geeigneten Ansatz zu finden. Hier müssen entsprechend kompliziertere Analysetechni­ken und Expertenteams eingesetzt werden.

Komplexe Systeme oder Situationen erfordern experimentelles und umsich­tiges Vorgehen möglichst mit parallelen Versuchen, um Einsichten zu gewinnen und praktische Ansätze zu finden. Hier müssen die Bedingungen für Lernen geschaffen werden, aus dem sich dann neue praktische Erkenntnisse entwickeln.

Chaotische Systeme oder Situationen erfordern sofortiges Handeln, um das System in eines der anderen Felder zu bringen. Handeln in chaotischen Situationen erfordert viel Intuition und Erfahrung.“

Paul Bayer, http://www.wandelweb.de/blog/?p=962

In der Abbildung habe ich die Einsatzräume für Agile Methoden Grau unterlegt. Auch hier gilt: Die grenzen sind fließend. Es lässt sich grundlegend sagen, je unklarer Weg und Ziel sind um so sinnvoller lassen sich agile Methoden einsetzen.

Design Thinking ist so z.B. die ideale Methode für komplexe Systeme aber wenige geeignet für komplizierte und ungeeignet für einfache Systeme.

In chaotischen Systemen ist vor allem das agile Mindset „Zusammenarbeit in gegenseitige Anerkennung“ und „Selbststeuerung“ gefragt. Gleichzeit braucht es aber die Fähigkeit „Risiken einzugehen“. Das alleine macht wenig sinn wenn nicht dazu die Fähigkeit kommt die Situation anschließende zu reflektieren und direkt darauf reagieren zu können. Ich bin der Meinung, dass es dazu eine gewisse „Entscheidungsfreudigkeit“ braucht.

Das Cynefin-Modell hilft dabei die die Situation zu analysieren und dann die passenden Methoden und notwendigen Fähigkeiten die Helfen die Probleme zu lösen zu identifizieren.

Zum Abschluss möchte ich noch mal Paul Bayer zitieren:

„(Das Cynefin-Modell) ermöglicht, aus einer Situation Sinn zu machen und einen adäquaten Ansatz zu finden.“

Digitalisierung als Innovationstreiber in der Sozialwirtschaft

Digitalisierung löst gesellschaftliche Veränderungen aus, verändert Berufsbilder und das Handeln von Menschen. Immer deutlicher wird, wie wichtig es ist, sich mit dem Verlauf der Digitalisierung intensiv auseinander zu setzen sowie frühzeitig Anpassungsstrategien zu entwerfen, um auf Strukturveränderungen vorbereitet zu sein. Dadurch wird die eigene Wettbewerbsfähigkeit erhalten, vorhandene Chancen genutzt und negative Auswirkungen gemildert. Kurz: Digitalisierung wird zum Innovationstreiber.

Aber gilt das auch für die Sozialwirtschaft?

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen müssen wir erstmal betrachten was Innovation ist.

Was ist Innovation?

Der Ursprung des Begriffs Innovation kommt aus dem Lateinischen innovātio was für „Erneuerung, Veränderung“ steht. In einer ersten, einfachen Definition ist Innovation eine Erneuerung und Veränderung von etwas Bestehenden. Im 19. Jahrhundert erweiterte sich die Bedeutung des Begriffs Innovation um den Begriff Neuheit. Also etwas Neu geschaffenem.

In die Wirtschaftswissenschaft führte Joseph Schumpeter den Begriff Anfang des 20. Jahrhundert ein. Er hat in der „Theorie der Innovationen“ beschrieben, dass die Grundlage des Kapitalismus ewiger Wandel durch „schöpferische Zerstörung“ ist. Die Innovation ist ein willentlicher und gezielter Veränderungsprozess hin zu etwas Erstmaligem, „Neuem“. Im ökonomischen Sinne kann erst von Innovation gesprochen werden, wenn ihre Nützlichkeit erkannt und ein Produkt, Service, Produktionsprozess oder ein Geschäftsmodell entsprechend neu eingeführt oder verändert wird. Dabei kann es sein, dass der Nutzen oder Wert einer Innovation erst nach einer längeren Phase entdeckt wird. Viele hergestellte Objekte oder Services sind im Moment ihrer Schaffung noch „Unsinn“.

Zusammengefasst: Eine Innovation erfüllt Bedürfnisse die dem Nutzer (noch) nicht klar sind. Das Hergestellte wird erst in einem Interpretations- und Anwendungsprozess sinnvoll.

In einer zweiten Definition ist Innovation daher der Prozesse einer Entwicklung, Herstellung und des Vertriebs einer Neuheit. Dabei kann die Neuheit etwas Vorhandenes durch etwas Besseres ersetzen oder etwas anbieten was es vorher noch gar nicht gab.

Für unsere weiteren Betrachtungen bedeutet dies: Innovation ist ein willentlicher Prozess und braucht Sinnstiftung bei Herstellern und Kunden zugleich. Der unternehmerische Zweck einer Innovation ist es die Wertschöpfung positiv zu verändern, zu steigern. Im Sinne von Schumpeter: nur wer sich ständig hinterfragt bleibt als Unternehmen stabil.

Und hier liegt der Knackpunkt

Innovation hat den Zweck die Wertschöpfung des Unternehmens positiv zu verändern. Wertschöpfung zu steigern erfolgt immer über Kundenzufriedenheit. Diese wird erreicht, wenn die Bedürfnisse des Kunden befriedigt werden. Wie kann das funktionieren, wenn die Wertschöpfung durch den Gesetzgeber reglementiert ist? Leistungen werden vorgegeben, Gesetze bestimmen den Anspruch, die Kontrolle übernimmt nicht der Leistungsempfänger, sondern der Leistungs- und damit Kostenträger. Muss dann nicht der Gesetzgeber Innovationstreiber sein? Aber geht das?

Innovationstreiber in der Sozialwirtschaft kann dann eigentlich nur die Effizienzsteigerung sein. Der „Return on Invest“ kommt über die schnellere automatisierter und klientenzentrierterer Arbeit. Also durch Zeitersparnis ohne Qualitätsverlust?

Im Gabler Wirtschaftslexikon habe ich folgendes gelesen: „In der Gesundheitsökonomie bezeichnet Effektivität die Fähigkeit einer medizinischen Technologie, den Gesundheitszustand eines Patienten gezielt positiv zu beeinflussen“[1].

Auf die Sozialwirtschaft übertragen bedeutet es: Effektivität ist die Fähigkeit einer Technologie, den seelischen und Körperlichen Zustand eines Klienten gezielt positiv zu beeinflussen.

Kombinieren wir jetzt diese beiden Ansätze:

Innovationstreiber in der Sozialwirtschaft unterstützen gezielt den Leistungserbringer bei der Fähigkeit den seelischen und körperlichen Zustand eines Klienten positiv zu beeinflussen und ihn im selbstbestimmten Handeln zu bestärken. Die Bedingung hierfür ist Ressourcenersparnis ohne Qualitätsverlust.

Wie kann Digitalisierung helfen?

Der Begriff Digitalisierung bezeichnet „den Prozess, der durch die Einführung digitaler Technologien bzw. der darauf aufbauenden Anwendungssysteme hervorgerufenen Veränderungen“[2]. Das Internet der Dinge („Internet of Things“) vernetzt physikalische Gegenstände miteinander und setzt diese in eine Beziehung zur virtuellen Realität. „Ambient Assisted Living“ (AAL) ist ein gutes Beispiel für diesen Ansatz in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft. AAL steht für Konzepte, Produkte und Dienstleistungen, die neue Technologien in den Alltag einführen um die Lebensqualität für Menschen in allen Lebensphasen zu erhöhen. Die Reduzierung auf das Alter greift hier deutlich zu kurz.

Viele Wissenschaftler gehen davon aus, dass diese Entwicklung massive Umwälzungen in vielen Lebensbereichen und Wirtschaftsbranchen nach sich ziehen wird – wie es heute schon erkennbar geworden ist. Die Dynamik nimmt zu, weil die Fähigkeiten und Möglichkeiten von Computern und digitalen Prozessen weiter in rasantem Tempo zunehmen.

Zwei Seiten der Digitalisierung

Die konservative Sichtweise auf die Digitalisierung setzt auf den Einsatz etablierter Technologien. Digitalisierung bedeutet jedoch nicht die Einführung von IT-Systemen aber die Grundlage für eine wertschöpfende Digitalisierung in der Sozialwirtschaft ist ein funktionierendes IT-System.

Prozessoptimierung und Optimierung der Wertschöpfungsketten sind beim konservativen Ansatz wesentlicher interner Treiber für Digitalisierung. Sie findet im Rahmen üblicher, etablierter technologischer Entwicklung statt. In der Sozialwirtschaft wird daher oft die Transformation des papiergestützten Prozesses auf den IT gestützten Prozess als zentrale Aufgabe der Digitalisierung verstanden.

Die innovative Sichtweise fokussiert auf technologische Innovationen und künftige Entwicklung.

Disruptive Entwicklungen lösen tiefgreifende wirtschaftliche und soziale Veränderungen aus. Disruptivität beschreibt in diesem Fall die Verdrängung existierender Technologien, etablierter Dienstleister und Lieferanten und deren Geschäftsmodelle sowie tradierter Prozesse durch die Digitalisierung.

Grundlegend kann man vier Themenkomplex identifizieren die sich durch die Digitalisierung verändern[3]:

  1. Rollenwechsel im Kundenverständnis: Kunde wird aktiver Partner in der Herstellung oder bei der Vermarktung von Produkten und Leistungen. Dies geschieht durch öffentliche Bewertungen, Erfahrungsberichten aber auch durch aktive Verbesserungsvorschläge oder Hinweise an den Anbieter. Auch die gegenseitige Hilfe rund um ein Produkt herum zählt zu diesem Rollenwechsel. Neue Technologien im Sinne von Communitys dienen dabei als Vermittler neuer Kooperationsformen.
  2. Beruf und Privat verschwimmen: Ziel ist es, das Arbeiten – jenseits von Home-Office-Konzepten – unabhängig vom aktuellen Aufenthaltsort zu ermöglichen. In der Sozialwirtschaft könnte man zum Beispiel die partizipatorische Dokumentation durch Klienten als Erweiterung dieses Veränderungsansatzes nennen.
  3. Stärkung personenbezogener Dienstleistungen: Zwar können IT- und mikroelektronische Systeme oder autonome Roboter mehr und mehr Aufgaben übernehmen, aber Leistungen, für die persönliche Nähe wichtig ist, werden an Bedeutung gewinnen. Bspw. sieht AAL eine starke menschliche Komponente vor. Dadurch können neue Aufgaben- und Betätigungsfelder entstehen, die sich unabhängig vom technologischen Fortschritt entwickeln werden. Genauso gut kann man an dieser Stelle auch die Unterstützung von Diagnostik durch technologische Ansätze aus dem Wissensmanagement und der Künstlichen Intelligenz nennen. Dieser Punkt steht allerdings in engem Zusammenhang mit dem vierten Thema:
  4. Der Themenkomplex der Interoperabilität erweitert die Datensicht um eine aktive Datennutzung und ist Voraussetzung für eine herstellerübergreifende Verarbeitung von Daten im Sinne des Big Data. Interoperabilität beschreibt die Fähigkeit von Systemen, miteinander kommunizieren und interagieren zu können. Sie beschränkt sich nicht auf den Einsatz von Standards, sondern konkretisiert, welcher Standard in welcher Form zu verwenden ist. Dabei spielen die semantische Beschreibung der Daten (Bedeutung), der Einsatz von Ontologien (Verknüpfungen zwischen Bedeutungen) und die Nutzung von Terminologien (Übersetzer von Bedeutungen) eine wesentliche Rolle. Dies ist ein alter Hut in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft. Trotzdem haben sich hieraus keine Innovationen im disruptiven Sinne entwickelt.

Die Besonderheit in der Sozialwirtschaft beim Thema Digitalisierung ist der emotionale Faktor Datensicherheit. Mit Realität hat diese Diskussion nicht immer was zu tun. Zwei Themenkomplexe möchte ich hier hervorheben:

  1. Die Sicherheit der Datenhalten. Soziale Unternehmen und Organisation glauben, dass der besondere Schutz der personenbezogenen Sozialdaten nur im eigenen „Keller“ zu gewährleisten ist. Inzwischen ist bewiesen, dass in einem professionell betriebenen Rechenzentrum die Gefahr des Datenklaus signifikant niedriger ist.
  2. Wir wollen keinen gläsernen Klienten auf dessen Datenbasis Vorverurteilungen und Unfreiheit entstehen. Grundsätzlich ist es möglich durch die Verknüpfung von Daten unzulässige Schlüsse zu ziehen. Im Gegenzug besteht aber auch die Möglichkeit durch die Verknüpfungen Erkenntnisse zu erlangen und Schlüsse zu ziehen, die ohne diese Verknüpfungen unmöglich wären. Die Aufgabe der Digitalisierung ist, wirksame Anonymisierungsprozesse zu entwickeln die keine Rückschlüsse auf den Menschen zu lassen. Es ist die ethische Verpflichtung bei der Innovation durch Digitalisierung.

Kann es in der Sozialwirtschaft disruptive Ansätze geben?

Ein Definitionsversuch: Eine disruptive Technologie (engl. disrupt – unterbrechen, zerreißen) ist eine Innovation, die eine bestehende Technologie, ein bestehendes Produkt oder eine bestehende Dienstleistung vollständig verdrängt. Aber natürlich geht es nicht nur um Technologie, sondern auch um Verfahren, Denkweisen, Prozesse, Systeme und ganze Kulturen. Disruption hat also mit der Definition zu tun was verdrängt wird. Die gesetzgeberischen Spielregeln einer WfbM sind nicht zu zerstören, aber sehr wohl die Spielregeln von Teilhabe und die vorhandene Technik die die Arbeit und die Teilhabe unterstützt.

Das Buurtzorg Model aus den Niederlanden ist in der Pflege disruptiv weil sie durch bedingungslose Kundenzentrierung die Arbeitsweisen grundlegend in Frage stellen.

Es bleibt noch abzuwarten ob die Branche durch die enorm hohe Regulierung eher zur Evolution als zur Innovation neigt.

Wie lässt sich Digitalisierung in der Sozialwirtschaft systematisieren?

Aus meiner Sicht gibt es vier Wirkpunkte (Grundlage ist die Innovationsmatrix aus der Studie: Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft – Chancen und Risiken, Studie im Auftrag der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID):

Für jeden der vier Digitalisierung-Cluster lassen sich weitere aktuelle Beispiele aber auch noch zu entwickelnde Innovationen finden.

In der Matrix steht Big Data im Mittelpunkt, da alle Sektoren auf Daten des anderen Sektors angewiesen sind. Auf der einen Seite ist es zwar eine technische Methode, aber auf der anderen Seite auch ein strategisches Konzept. Aus allen vier Clustern laufen Daten allerdings auch in BigData zusammen. Die Klienten- und Leistungsträgerdaten, die Dokumentation aus den internen Prozessen, Sozial Media mit Klienten und Angehörigen liefern genauso Daten. Zusätzlich lässt sich das mit Stellenprofilen zum Recruting kombinieren. Selbstverständlich verknüpfen sich die Daten mit AAL und partizipativer Dokumentation (wenn Klient und Pädagoge zusammen dokumentieren) und das Monitoring liefert weitere Daten.

Für eine automatische Hilfebedarfsermittlung, bzw. die Unterstützung dieser, liefert Big Data aus den intelligenten Unterstützungssystemen und Diagnostik wiederum Daten. Wenn auf diese Weise Innovation in die Sozialwirtschaft getragen werden soll liegt damit hier der Fokus auf innovative Datenschutzkonzepte.

Stellen Sie sich vor ich würde eine Plattform entwickeln die in der Lage ist aus all den Quellen die Daten zusammen zu ziehen und auf Basis von Wissensmanagement und Künstlicher Intelligenz, um die Best mögliche Unterstützung zu ermitteln und daraus eine Hilfeplanung oder eine Kriseninterventionsmaßnahme vorschlagen? Und trotzdem lasen sich die physikalischen Menschen nicht systematische hinter den Daten erkennen.

Oder was wäre, wenn es eine Plattform gibt bei denen Bewertungen von Hilfeleistungen möglich wäre die mit statistischen Daten kombiniert würde und sich Angehörige und Betreute selber den besten Anbieter auswählen. Zwar ist die Zusage durch den Leistungsträger noch die Spielregel aber der Kunde kann an den Spielregeln schrauben.

Es braucht eine ganzheitliche Strategie im Unternehmen

Digitalisierung wirkt also nach Innen (Prozessautomatisierung und –Optimierung, Wirtschaftlichkeit, Automatisierung) und nach Außen (Kundenbindung, Individualisierung, Teilhabe). Beide Aspekte tragen zur Risikominimierung und Erfolgssteigerung eines Unternehmens bei. Gerade weil beide Aspekte der Digitalisierung zusammen wirken braucht es eine einheitliche Digitalisierungsstrategie. Im Mittelpunkt der Strategieentwicklung steht der Mensch, denn ohne Klient, Angehörige und Mitarbeiter machen soziale Einrichtungen schlicht keinen Sinn. Eine gut durchdachte und sich immer wieder an Veränderungen anpassende Strategie wird so zum Differenzierungsmerkmal eines Unternehmens in der Sozialwirtschaft im Markt. So kann daraus eine digitale Unternehmenskultur entstehen.

Bei all den Überlegungen zur Digitalisierung und den dadurch ausgelösten Veränderungen macht es Sinn vom Mensch und Nutzen her zu denken und nicht vom technische machbaren!

  • Wer ist der Kunde/Zielgruppe?
  • Was braucht der Kunde? Was braucht das Unternehmen?
  • Wie werden Mitarbeiter, Leistungsträger, Angehörige und Betreute bei der Digitalisierung des Unternehmens mitgenommen?
  • Was ist die richtige Strategie, jenseits von technischer Machbarkeit?
  • Wie werden tragfähige Geschäftsmodelle entwickelt?

Agile Methoden helfen bei der Strategieentwicklung und -Umsetzung

Mit agile Methoden aus der Welt der Softwareentwicklung werden systematisch und damit nachhaltige Lösungsvorschläge in kurzer Zeit erarbeitet.

Gelingen kann der Prozess mit agilen Methoden aus der Welt der Softwareentwicklung. Auf diese Weise werden systematisch überprüfbare sowie iterative und nachhaltige Lösungsvorschläge in kurzer Zeit erarbeitet. Sie setzten die Kundenzentrierung und die Zusammenarbeit von Menschen in den Mittelpunkt. Somit sind agile Methoden die beste Grundlage für die Entwicklung und Umsetzung erfolgreicher digitaler Strategien.

Doch was genau bedeutet agiles Handeln?

Erst einmal bedeutet es: Beweglich auf Veränderungen zu reagieren und den Kunden beim „Bewegen“ im Mittelpunkt zu halten.

Grob zusammengefasst ist der Kern agiler Arbeitsweisen, große Themen in kleine Arbeitspakete zu zerlegen. Diese Arbeitspakete werden dann durch Versuche – mittels Prototypen – zusammen mit dem Kunden überprüft, um schneller und besser festzustellen, was der Kunde braucht. Durch sich schrittweise annähernde (iterative) Prozesse entstehen kundenorientiertere Ergebnisse. Für diese Arbeitsweisen sind verschiedenen Methoden wie Design Thinking entwickelt worden.

Im Mittelpunkt agiler Arbeitsweisen stehen vier Leitsätze

  • Alle Beteiligten (Mitarbeiter und Kunden) eines Teams wissen zusammen besser, was richtig ist, als ein einzelner (Manager).
  • Die Menschen in der Nähe zum Geschäftsumfeld (also Kunden und Partner) wissen besser, was notwendig ist, als die Führungskräfte im Inneren des Wohnungsunternehmens.
  • Individuen und Interaktionen sind wichtiger, als stur Prozesse einzuhalten und standardisierte Werkzeuge zu suchen.
  • Das Reagieren auf Veränderung ist wichtiger als das Befolgen eines Plans.

Im Rahmen dieser Zusammenarbeit entscheiden und handeln die Teams selbstverantwortlich. Die Arbeitsweise braucht die Unterschiedlichkeit im Unternehmen. Vor allem aber erkennt diese Methode an, dass jeder im Unternehmens, auch der Hausmeister und die Sekretärin, vor allem aber der Kunde und die Angehörigen, Teil des gemeinsamen Erfolgs sind.

Kleinteiliges oder themenorientiertes Arbeiten indes zerstört den Blick auf das Produkt und verbaut dadurch die Chance, ungewöhnliche Lösungswege zu finden. Agile Teams werden daher immer um ein gesamtes Produkt/Service oder eine Dienstleistung herum und über den gesamten Lebenszyklus des Produkts gebildet. Auch Fachleute mit hoch spezialisierten Lösungsansätzen sind Teile eines agilen Teams. Diese diskutieren aber ihre Erfahrungen mit allen, um die Auswirkungen auf das Ganze nicht aus dem Blick zu verlieren und gleichzeitig auch allen anderen eine neue Perspektive zu bieten.

Führungsaufgaben

Die zentrale Führungsprämisse in agilen Strukturen ist demnach die übergreifende Zusammenarbeit zu fördern. Damit diese Zusammenarbeit funktioniert ist es notwendig, dass die Menschen sich und ihre Fähigkeiten gegenseitig anerkennen. Des Weiteren ist es notwendige, dass die Teams Rahmenbedingungen und Leitlinien bekommen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen durch die Führungskräfte befähigt und bevollmächtigt werden im Rahmen Ihrer Spielräume selbstverantwortlich zu handeln.

Somit sind agile Methoden die beste Grundlage für die Entwicklung und Umsetzung erfolgreicher digitale Strategien.

Agile Arbeitsweisen fördern nicht nur Innovationen, sondern auch Evolution von Produkt-, Service- und Unternehmensansätz. Ich persönlich habe die Hoffnung, dass durch die agilen Arbeitsweisen vielleicht doch was Innovatives entstehen kann… eben etwas woran haute niemand denkt. Aber dazu muss es Spielräume geben.

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[1] http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/effektivitaet.html

[2] http://www.enzyklopaedie-der-wirtschaftsinformatik.de/wi-enzyklopaedie/lexikon/technologien-methoden/Informatik–Grundlagen/digitalisierung/.

[3] Vgl.: DEUTSCHE TELEKOM / SHAREPOINT / UNIVERSITÄT ST. GALLEN 2015: Arbeit 4.0: Megatrends digitaler Arbeit der Zukunft – 25 Thesen. Bonn.